Lage und Perspektive der Freien Berufe in Thüringen
EIN NEUER ANFANG
Die Angehörigen der Freien Berufe standen während der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1989 an erster Stelle beim Wiederaufbau von Praxen, Kanzleien und Büros. Die wiedergewonnene Freiheit und die Möglichkeiten einer demokratischen Gesellschaft entfachten nach anfänglichem Zögern einen echten Gründungsboom. So wurden z. B. die Apotheken flächendeckend schon im Sommer 1990 privatisiert, die Kammern der Freien Berufe leisteten umfangreiche Hilfe und sorgten dafür, dass z. B. auch in Thüringen sehr schnell ein leistungsfähiges Geflecht freiberuflicher Professionen arbeiten konnte. In sehr kurzer Zeit haben die Freien Berufe bewiesen, dass mit Eigeninitiative, hoher Flexibilität, auf eigenes Risiko und ohne wesentliche Fördergelder oder Staatshilfen in kürzester Zeit ein hoch qualifiziertes Dienstleistungssystem organisiert und flächendeckend in Thüringen angeboten werden konnte. Darüber hinaus spielen sie eine wichtige Rolle als Arbeitgeber und Ausbilder.
SITUATION HEUTE
Die Väter der deutschen Wiedervereinigung haben auch für die Freien Berufe die Weichen richtig gestellt. Die Voraussetzungen zur Weiterentwicklung einer modernen Dienstleistungsgesellschaft seitens der Freien Berufe stehen auf solider Basis. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass die wirtschaftliche Stagnation der vergangenen Jahre, die Überregulierung des Staates, wachsende Bürokratie und steuerliche bzw. arbeitsrechtliche Belastungen des Mittelstandes ganz allgemein, wie auch die noch immer bestehenden Honorarunterschiede im Vergleich zu den alten Bundesländern Spuren hinterlassen.
So wie Freie Berufe ohne das Vertrauen der Bürger in ihre Arbeit, in ihre Kompetenz und ihre Integrität nicht existieren können, ist andererseits ein Vertrauensverlust von Parteien und bestimmten Mandatsträgern unserer Gesellschaft unverkennbar. Die mangelnde Durchsetzung von dringend notwendigen strukturellen Änderungen der Gesellschaft, die bekannten demografischen Probleme und insbesondere die globalen Verwerfungen im Finanzsystem und die aufgebrochene Energiedebatte führen zu einer wachsenden Unsicherheit der Bürger und im Gegenzug zu einem erhöhten Bedarf an Beratungs- und Dienstleistungen durch Freie Berufe.
PERSPEKTIVE
Die Europäische Union mit einem immer stärker werdenden Europäischen Parlament und letztendlich auch die Globalisierung vieler Bereiche unseres täglichen Lebens sind nicht ohne Probleme, wir verstehen sie allerdings als eine Chance.
Solche tief greifenden Veränderungen ziehen eine Reihe von Anpassungen des Berufsrechts, der Honorarsysteme und der Kommunikationsmittel nach sich.
Partnerschaften von mehreren Freiberuflern des gleichen Berufs und über die Berufsgrenzen hinaus werden sich durchsetzen. Dabei müssen aus unserer Sicht freiberufliche Konstruktionen den absoluten Vorrang haben. Dem Ruf nach mehr Staat stellen wir den Ruf nach guten Rahmenbedingungen für Freie Berufe entgegen.